Lui Hill

Lui Hill

Nominiert als Beste*r Newcomer*in 2021

„Der roteste Faden in all dem bin wohl ich.“ Das ist die Antwort, die LUI HILL gibt, wenn man nach einem Thema in seiner Kunst, seiner Musik, seinen Texten fragt. Auf den ersten Blick klingt das logisch, auf den zweiten Blick hätte man auf dem langen Weg, den der Musiker hinter sich hat, durchaus mal den Garn verloren haben können.

Der erste Abzweig in Richtung Musik war der vom Vater eigenhändig gezimmerte Proberaum, der der Liebe zur Musik schon als Kind genug Raum zum Wachsen gab. Der Weg schlängelte sich daraufhin an verschiedenen Stationen vorbei: Mit zwölf Jahren wurde LUI HILL Frontmann einer Punktband, wenig später entdeckte er die Leidenschaft für Drums und Jazz. Sowohl alle frühen Stationen auf seinem Weg als auch das Jazzstudium und Tourerfahrungen als Drummer für diverse Projekte beeinflussten den mittlerweile in Berlin lebenden und arbeitenden Darmstädter auf seinem Weg zu der Person und vor allem dem Musiker, der er heute ist.

Sein Sound verbindet viele Stile und Einflüsse. Es bleibt immer angenehm eklektizistisch bei LUI HILLs Musik. Positiv unberechenbar könnte man sagen. Oder einfach musikalisch divers. Die Einflüsse reichen von Soul über Hip Hop bis hin zum Jazz, fangen bei ruhigen Pianoklängen an, wandern über soulige Parts bis hin zu beinahe zwingend tanzbarem Funk - die Grenzen setzt nur der Musiker selbst.

Das erste, autobiographische Album bildete inhaltlich verschiedene Herangehensweisen an Nähe und Distanz, an Trauer und Verlust, Hoffnung und Perspektivwechsel ab. Ehrlichkeit, die nicht immer leicht zu verdauen war, aber eine solche Nähe zum Künstler und seiner Musik aufbaute, dass man beinahe selber die Flucht antreten wollte. HILL setzte sich mit dem Ende einer Beziehung, der Familie, dem Tod seines Vaters auseinander. Ein Album aus der Schockstarre. Man ahnte jedoch das Licht am Ende des Tunnels.

In diesem Licht erstrahlen nun die neuen Tracks von LUI HILL. Musik aus dem, was nach der Dunkelheit kommt. Man hört ein bisschen Augenzwinkern und eine ganze Menge Spaß, man hört eine andere Lebensphase. So schön die vorangegangene Melancholie und Schwere war, so sehr kann man sich nun von der neu gewonnenen Energie mitreißen lassen. HILL will nicht nur seine Zuhörer*innen, sondern vielmehr auch sich selbst mit seiner Musik immer wieder überraschen, sich im Studio ein ums andere Mal neu
erfinden.

Sehnsucht und Distanz bleiben Thema, einer der Fäden, die dem Projekt LUI HILL Struktur geben. Denn wen beschäftigen diese Themen nicht? Wer ist nicht auf der Suche? Nach sich, dem Leben, einem Ziel? HILL schreibt über das menschliche Handeln und dessen Widersprüchlichkeit, über den Bewusstseinszustand Liebe und dessen egoistische Dimension. Inspiration findet er in gesellschaftlichen Diskursen, verschiedensten Biographien, politischen Themen. Ein Weg, der das Gestern und Heute vereint.

Auf diesem Weg sind nicht alle Erkenntnisse immer leicht gefallen: LUI HILL musste lernen, dass auch er in seiner Musik auf gewisse Art stark limitiert ist. Ein Talent, das nicht über alle Maßen überdurchschnittlich ist, reicht nicht aus, um alles, was in dem kreativen Kopf passiert, auch nach außen zu transportieren. Harte Arbeit und ein stetiger Entwicklungsprozess trugen und tragen weiterhin dazu bei, dass diese Grenzen für Positives genutzt werden können.

Die Direktheit, die aus dem Bewusstsein für die eigenen Grenzen entsteht, spricht den/die Hörer*in ohne viel Schnörkel auf eine Weise an, die unmittelbar verständlich ist. HILL versteht die gesetzten Grenzen nicht als Einschränkung, sondern nimmt sie dankend an und nutzt sie als Chance. So kann im Ausdruck und der Form der Musik eine besondere Klarheit entstehen. Ehrlich und gefühlvoll. Durch diese Transparenz wird dem/der Zuhörer*in viel Projektionsfläche für die eigene Entwicklung geboten, Raum für eigene Gedanken, inspiriert von den Worten und Klängen LUI HILLS. Man findet beim Zuhören nicht nur den Musiker, sondern auch sich. Und man findet den roten Faden.

Ein ausschlaggebender Faktor bei dieser Art von Ehrlichkeit ist das Loslassen von Perfektion. Manchmal ist sie Freund, oft aber auch Feind. HILL gesteht sich ein, dass nicht die Perfektion das Ziel seiner Musik ist und erlaubt sich somit, neue, spannende Optionen zu erschließen. Das Ende der Perfektion nicht als Makel zu sehen, sondern eben diesen vermeintlichen Makel als etwas anzunehmen, das bleiben und die Musik auf seine Art nach vorne bringen darf. Das Magische in der Musik ist nicht die Perfektion, sondern der Bruch. Der Moment, in dem etwas ungewöhnlich ist und die Nerven kitzelt. Eine aufregende Erkenntnis, die sowohl für den Musiker als auch für seine Musik neue Wege und Möglichkeiten öffnet, ohne alles, was bisher entstanden ist, abzuwerten. Eine organische Entwicklung, der wir beiwohnen dürfen.

„Der roteste Faden in all dem bin wohl ich.“ Und das stimmt nach wie vor. Willkommen zu einer neuen Facette von LUI HILL.

Foto: Nicolas Blanchadell