Vandalisbin
Gewinner*in Beste*r Newcomer*in
Als “VANDALISBIN” (Vandalism + Lesbian) schreibt sie Songs, programmatisch im Spannungsfeld zwischen queerer Sexualität, Liebe, Gewalt und Selbstermächtigung. Eindrucksvoll spiegeln sich darin die Irrungen und Wirrungen ihres jungen Lebens, wie in einem luziden Schattenspiel im Putzlicht eines unbekannten Clubs. Rohe und bedrückend schöne Lyrik, inspiriert von zeitgenössischem Rap und zeitlosen Klassikern wie Hildegard Knef, Nina Simone und Rio Reiser. Vorgetragen in ihrer unverkennbaren Stimme, die klingt als hätte Helena die Seele eines 50-jährigen Türstehers in ihrer Kehle: treffsicher liefert sie poetische Bilder und Hooks, Punchlines im wahrsten Sinne des Wortes. Fein balanciert sie ihre vielfältigen Einflüsse von Eryka Badu, Nirvana, Bilderbuch und Isolation Berlin zu einem stacheligen Neo-Soul, mit Blues-Note in der Performance und viel Witz zwischen den Zeilen. Ob am Klavier, an der Gitarre, Bass oder den Drums: die 22-jährige schreibt sich ihre Beobachtungen auf eine Art von der Seele, die hypnotisiert. Vielleicht auch, weil man als Mensch instinktiv erkennt, wenn Erfahrungen geteilt und nicht nur Geschichten erfunden werden. “Nach einer wahren Begebenheit” ist der Arbeitstitel ihres ersten Albums.
Wenn man VANDALISBIN auf Independent-Festivals (u.a. Transit Filmfest, FEM+Festival) und Supportshows (z.B. Fuffifuffzich in Deutschland und der Schweiz) live erlebt, ist klar: Da steht jemand, der auf der Bühne nicht spielt, sondern brennt. Mit einer Stimme, die unweigerlich an Rio Reiser erinnert, an Chappell Roan und Faber. Hier wird nichts abgekühlt. Hier wird geliebt, gelitten und durchs Mikrophon geheult, bis auch die letzte Reihe Gänsehaut hat.
Ihre Debüt-EP „Bottle of Wisdom: Tape 1“ klingt wie ein vertontes Tagebuch, das man quer durch VANDALISBINs CD-Sammlung geschickt hat. Nina Hagen, Ebow und Janis Joplin, garniert mit einem Woodstock-Sampler. Und trotzdem ist alles schlüssig. Weil Vandalisbin nicht „nur“ Musik macht, sondern eine Welt baut – eine, die sich irgendwo zwischen queerem Selbstschutzraum, post-internetscher Romantik und subversiver Pop-Intelligenz bewegt.
Mit „Bottle of Wisdom: Tape 1“ zeigt die 22-jährige Deutsch-Brasilianerin nicht nur, wie viel musikalisches Talent in ihr steckt – sondern auch, dass Seele und Sound gut harmonieren. In Tracks wie “Bottle of Wisdom” hört man, wie sehr hier jemand Musik als Überlebensstrategie begreift. “Regen” klingt wie eine Ballade aus dem West-Berlin der 70er oder Hamburg der 90er. Und “White Girls” ist vielleicht die sanfteste Alltagsrassismus-Kritik des Jahres. Und ein ästhetisches Statement in einem Popbetrieb, der Diversität oft lieber kuratiert als lebt.
Wie schnell VANDALISBIN jetzt auf immer mehr Line-Ups auftaucht – von kleinen Queer-Open-Airs bis hin zu namenhaften Festivalbühnen – ist kein Zufall, sondern Konsequenz. Weil sie zeigt, dass Pop nicht glatt sein muss, um schön zu sein. Dass Verletzlichkeit kein Stilmittel, sondern Widerstand sein kann. Und dass es Stimmen gibt, die man nicht nur hört, sondern spürt. „Bottle of Wisdom: Tape 1“ ist vielleicht nur der Anfang – aber einer, der schon klingt wie ein Versprechen: Auf mehr Tiefe, mehr Glanz, mehr Wahrheit. Und auf eine Zukunft, in der Pop wieder ein Ort ist, an dem wir alle ein bisschen echter sein dürfen.



